Fridays for Future: In Weinheim zogen Hunderte durch die Straßen (Update)
Von Günther Grosch
Weinheim. "Mehr Tempo beim Klimaschutz", "Klimagerechtigkeit im globalen Süden", die Verdoppelung der deutschen Klimafinanzierung bis 2025 sowie der "Kohleausstieg bis spätestens 2030": Das waren nur vier von gut einem Dutzend Forderungen, die sich Weinheims vereinigte Klimaaktivisten unter der Führung des örtlichen Klimabündnisses, von "Fridays für Future" und "Parents for Future" beim "Globalen Klimastreik" am Freitag auf ihre Fahnen geschrieben hatten.
"Windräder statt heißer Luft", "Uns Alten gehört die Welt nicht" und "Opa, rette unsere Zukunft" war auf Plakaten und Spruchbändern zu lesen, mit denen nach Polizeiangaben bis zu 450 Aktive und Sympathisanten vom Hauptbahnhof aus mit Trillerpfeifen, Trommeln und Rasseln über die Bahnhofstraße und durch die Fußgängerzone hinauf auf die Schlossparkwiese zogen, wo sie bei der Abschlusskundgebung die Bundestagskandidaten Franziska Brantner (Grüne), Alexander Föhr (CDU), Zara Kiziltas (Linke), Elisabeth Krämer (SPD) und Tim Nusser (FDP) mit ihren Forderungen konfrontierten.
Zuvor hatten die Sprecher des Klimabündnisses, Kerstin Treber-Koban, Joel Möller, Carolin Stasch, Vanessa Pape und Susanne Erceg-Seston ihre Forderungen artikuliert. Der Klimawandel sei für alle spürbar, so Möller. Ob Waldbrände von Kanada bis Griechenland, die Überschwemmungen in Südfrankreich oder die Flutkatastrophe im Ahrtal: Man werde solche Krisen häufiger erleben.
Sowohl die überwiegend Jugendlichen von "Fridays for Future" ("Cool Kids Saving a Hot Planet") als auch die älteren Teilnehmer von "Parents for Future" ("Nach uns die Sintflut? Unsere Enkel haben keine Arche") erinnerten an die vertraglich fixierte Verpflichtung Deutschlands, die 1,5-Grad-Grenze bei der Erderwärmung einzuhalten. Die BRD aber leiste ihren Beitrag nicht: "Noch nicht einmal nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts." Die Energiewende sei verschleppt, zum Teil sogar blockiert worden: "Es muss an den großen Schwungrädern gedreht werden." Dass im Wahlkampf sämtliche Parteien über Klimaschutz redeten, wurde als "mieser Etikettenschwindel" mit "vagen Versprechungen und völlig unzureichenden Maßnahmen" kritisiert. Keine Partei erreiche das Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015. Lediglich zwei der antretenden Parteien trauten sich "ganz nahe dran". Die Welt aber brauche die Klimawende. Deutschland sei ein Teil eines Teams aus 195 Staaten, die alle ihren Teil zur Lösung beitragen müssten.
Auf die hohen Klimarisiken, die natürliche Lebensgrundlagen und Wirtschaftssysteme bedrohen, wies Ute Timmermann hin. "Wir sind ein Teil der lebenden Natur. Wir sind auf die Natur an-gewiesen, nicht die Natur auf uns", so die Klimaschutzmanagerin der Stadt Weinheim: Die schwerwiegendsten Risiken des Klimawandels könnten nur durch unverzügliches Handeln reduziert werden. Die Anpassungsmaßnahmen bräuchten zum Teil über 50 Jahre, bis sie wirken.
Für eine führende Rolle Deutschlands im Kampf gegen die Erderwärmung setzte sich Kerstin Treber-Koban ein. Die Bundesrepublik sei die Nummer eins im europäischen Kohleabbau, deutsche Kohlekraftwerke die größten CO2-Verursacher Europas. Die zahlenmäßig größte Wählerschaft am Sonntag bildeten die Über-50-Jährigen. Die Klimakrise aber bekämen Kinder und jüngere Wähler zu spüren. Deshalb sei es verständlich, dass sich so viele Junge für den Klimaschutz engagieren. "Es geht um ihre Zukunft und die Frage, wie sicher und wie frei diese sein wird."
Update: Freitag, 24. September 2021, 19.30 Uhr
Klimaproteste in Weinheim
Weinheim. (keke) Laut Polizeiangaben protestieren rund 400 Menschen zur Stunde in der Innenstadt. Die Protestierenden sind einem Aufruf von "Fridays for Future" gefolgt und fordern zwei Tage vor der Bundestagswahl eine Klimawende in der Politik. Der Zug hatte sich gegen 16 Uhr am Hauptbahnhof in Bewegung gesetzt und ohne Zwischenfälle den eigens abgesperrten Postknoten überquert.
Nach RNZ-Beobachtungen ist die Stimmung sehr friedlich. Es sind viele jüngere Menschen unter den Demonstranten, die sich aber durchaus der Unterstützung älterer Bürger erfreuen. Nachdem die Protestierenden mit Transparenten, Pfeifen und Ratschen die Bahnhofstraße hinaufgezogen waren, stoppten sie an der Reiterinnen-Statue in der Fußgängerzone. Dort wurden Ansprachen gehalten.
Viele Demonstranten hatten Fahrräder mitgebracht, junge Familien waren mit Kinderwagen gekommen. Der Abschluss der Protestaktion findet von 17 Uhr an im Schlosspark statt. Dort sollen die Bundestagskandidaten von SPD, CDU, Grünen, FDP und "Die Linke" in einer Interviewrunde erläutern, wie sie sich künftig für zukunftsfeste Klimapolitik einsetzen wollen. Dass die Beteiligten trotz aller guten Stimmung von einer Menschheitsaufgabe sprechen, beweist dieser Slogan: "Es wird keine Impfung gegen den Klimawandel geben!".