Die EU will den Mitgliedstaaten ihre Definitionen von Hasskriminalität aufzwingen
Ein Kommentar von Paul A. Nuttall
Laut dem Magazin Politico, das den Textentwurf einsehen konnte, "kommt der Vorschlag im Zuge sozialer Bewegungen wie der #MeToo-Kampagne und der Proteste rund um #BlackLivesMatter". Im Text der Europäischen Kommission heißt es dazu: "Hass hält Einzug in den Mainstream und richtet sich gegen Einzelpersonen und Personengruppen, die 'ein gemeinsames Merkmal' teilen oder die so wahrgenommen werden, dass sie 'ein gemeinsames Merkmal' teilen, wie Rasse, ethnische Zugehörigkeit, Sprache, Religion, Nationalität, Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck, Geschlechtsmerkmale oder andere grundlegende Merkmale oder eine Kombination dieser Merkmale."
Die Europäische Kommission schlägt vor, solchen "Hass" zu bekämpfen, indem er ihn in die Liste der Verbrechen aufgenommen wird, die bereits im Text des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union enthalten ist. Derzeit umfasst diese Liste unter anderem Terrorismus, Drogenhandel, Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern. Im Gegensatz zu "Hass" sind diese Verbrechen jedoch keineswegs subjektive Empfindungen, denn Drogenschmuggel etwa ist eindeutig illegal, ebenso wie Menschenhandel und Terrorismus.
Was mich an diesem jüngsten Vorschlag beunruhigt, ist die Frage, wer darüber entscheidet, was ein "Hassverbrechen" ist und was nicht. Natürlich möchte niemand, dass Minderheiten, Frauen oder LGBT-Menschen diskriminiert werden. Aber sicherlich ist dies eine Frage, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt und von ihren jeweiligen Wählern entschieden werden sollte.
Darüber hinaus ist die Tatsache, dass "Hass" von nicht gewählten Eurokraten in Brüssel definiert werden soll, nicht nur undemokratisch, sondern auch gefährlich, denn dies könnte dafür verwendet werden, die Meinungsfreiheit oder sogar abweichende Meinungen einzuschränken. Es sieht aus wie eine Reminiszenz an die schlechten alten Zeiten von Ein-Parteien-Regimes, als diktatorische und nicht gewählte Regierungen entschieden, was die Leute sagen durften und was nicht.
Die Europäische Union betrachtet ihre Verträge als verwandt mit den Zehn Geboten, als unantastbar und in Stein gemeißelt. Sie sind das Fundament, auf dem diese Union aufbaut, und die darin enthaltenen Artikel werden mittlerweile oft verwendet, um Mitgliedstaaten zu sanktionieren, die nach Ansicht der Eurokraten in Brüssel aus der Reihe tanzen. Fragen Sie einfach mal in Polen und in Ungarn nach.
Eventuelle Änderungen an diesen Gründungsverträgen sind eine verworrene Angelegenheit und viel zu kompliziert, um hier im Detail darauf einzugehen. Größere Änderungen der EU-Verträge erfordern zumindest in einigen Mitgliedstaaten, wie beispielsweise in Irland, zwingend ein Referendum. Natürlich wird die EU keine Referenden mehr sehen wollen, da die Menschen viel zu unberechenbar und unbequem geworden sind. Die Aufnahme von "Hassverbrechen" in den Vertrag wird deshalb jedoch einfach als keine große Änderung angesehen und kann somit keine Volksabstimmungen auslösen, sodass die EU-Kommission diesmal aufatmen könnte. Was jedoch nicht zur Debatte stehen kann, ist die Tatsache, dass diese Vertragsänderung zwingend die Unterstützung des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates erfordert.
Ich gehe zwar davon aus, dass der Vorschlag im Europäischen Parlament durchgewinkt wird, da dieses Gremium das bei weitem föderalistischste ist und sich auch diese Gelegenheit nicht entgehen lassen wird, ein Zeichen der Tugend zu setzen. Der Europäische Rat ist jedoch eine ganz andere Sache, da eine Vertragsänderung dort die Zustimmung aller Mitgliedstaaten erfordert. Das bedeutet, dass alle Länder, die zweifellos von dieser vorgeschlagenen Änderung betroffen sein werden, die Möglichkeit haben, diese Änderung abzulehnen – und zwar unabhängig davon, was die Europäische Kommission, das Europäische Parlament oder andere Mitgliedstaaten sagen. Und genau hier wird der Kampf ums Buffett stattfinden.
Allein in den letzten sechs Monaten hat die EU einige polnische Regionen unter Androhung von Geldstrafen gezwungen, bei ihren LGBT-feindlichen Resolutionen zurückzurudern. Auch Ungarn steht mit Brüssel auf Kriegsfuß über das, was die EU-Kommission als Anti-LGBT-Gesetzgebung betrachtet. Dies veranlasste sogar den slowenischen Premierminister, die EU dafür zu kritisieren, dass sie versuche, den mitteleuropäischen Nationen "imaginäre europäische Werte" aufzuzwingen. Es ist klar, dass die Aufnahme von "Hasskriminalität" in den Gründungsvertrag ein Versuch ist, diese Länder auf eine Linie zu bringen. Und genau aus diesem Grund glaube ich, dass sie standhaft bleiben und dies ablehnen sollten.
Man kann aber nicht erwarten, dass die westeuropäischen Mitgliedsstaaten, das Europäische Parlament oder die Europäische Kommission kampflos zu Boden gehen. Über die Regierungen dieser mitteleuropäischen Länder wird vielmehr eimerweise politischer Schlamm geschüttet werden, um sie zum Einknicken zu bringen. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass das Vorhaben zum Scheitern verurteilt ist, denn Länder wie Polen, Ungarn und Slowenien, die solchem Vorschlag zustimmen, wären wie Weihnachtsgänse, die das weihnachtliche Festmahl wärmstens befürworten. Die EU wird also wieder einmal feststellen müssen, dass diese lästigen problematischen mitteleuropäischen Mitgliedstaaten am großen Rad der politischen Integration mitdrehen wollen.
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Übersetzt aus dem Englischen.
Paul A. Nuttall ist Historiker, Autor und ehemaliger Politiker. Er war von 2009 bis 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments und war ein prominenter Aktivist für den Brexit.
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