30 Jahre nach Zusammenbruch der UdSSR: Wie sich Bevölkerung der ehemaligen Unionsstaaten verändert
Nach dem Zusammenbruch der UdSSR hat sich die demografische Situation in ihren ehemaligen Teilrepubliken ungleichmäßig verändert. Darüber schrieb die russische Zeitung RBK. Zentralasien und Aserbaidschan erfuhren ein Bevölkerungswachstum, während alle anderen Länder einen Rückgang verzeichneten. Dies zeigt The Maddison Project Database – eine Datenbank, die Statistiken für alle postsowjetischen Länder enthält. Die Bevölkerung von 14 der 15 Republiken wurde nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion überdies zunehmend monoethnisch.
Die Bevölkerung Russlands ist seit 1993 allmählich rückläufig. Während zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs der UdSSR 148,4 Millionen Menschen in dem Land lebten, waren es im Jahr 2009 nur noch 142,8 Millionen. Nach Ansicht von Experten des Zentrums für Bevölkerungsstudien an der Wirtschaftsfakultät der Moskauer Staatlichen Lomonossow-Universität konnte der erhebliche Migrationszuwachs, der in den 2000er Jahren in Russland stattfand, den natürlichen Rückgang nicht ausgleichen. In den darauffolgenden Jahren wuchs die Bevölkerung des Landes wieder (unter anderem aufgrund der Krim-Krise), aber seit 2019 ist sie abermals rückläufig.
Von den ehemaligen Republiken der UdSSR ist die Bevölkerung in den baltischen Staaten, Moldawien und der Ukraine am stärksten zurückgegangen. So sank die Bevölkerung Estlands bis 2018 um 27,75 Prozent, die Litauens um 23,96 Prozent, die der Republik Moldau um 20,78 Prozent und die Einwohnerzahl der Ukraine um 14,68 Prozent. In diesen Ländern wurden die Statistiken nicht nur durch ein negatives natürliches Wachstum (Überschuss der Sterblichkeit über die Geburtenrate), sondern auch durch die Abwanderung beeinflusst. In Litauen, wo die Bevölkerung in den letzten 30 Jahren um 700.000 Personen (bis auf 2,8 Millionen) zurückgegangen ist, wurde die Abwanderung der russischsprachigen Bevölkerung in den 1990er Jahren durch die Abwanderung von Einheimischen nach Europa abgelöst, insbesondere nach Großbritannien und Deutschland. Nach den Prognosen der UNO werde die Bevölkerung Litauens bis zum Ende des Jahrhunderts etwa 1,5 Millionen betragen, wenn der gegenwärtige Trend anhalte.
Die Statistiken zeigen auch, dass die Bevölkerung der baltischen Staaten, Russlands, der Ukraine und Weißrusslands insgesamt allmählich altert, während in den zentralasiatischen Ländern mit hohen Geburtenraten der Anteil der Kinder unter 14 Jahren recht hoch ist (35 Prozent in Turkmenistan, 34 Prozent in Tadschikistan und 31 Prozent in Kirgisistan). Zum Vergleich: In Russland sind es 16 Prozent, in der Ukraine und Weißrussland 15 Prozent, in Lettland und Litauen 14 Prozent.
Die nationale Zusammensetzung der ehemaligen Sowjetrepubliken hat sich in den 30 Jahren seit dem Zusammenbruch der UdSSR stark verändert. Während man im Jahr 1991 in einigen von ihnen noch skeptisch war, ob ein "Nationalstaat" aufgebaut werden könnte, war dies Mitte der 2010er Jahre nicht mehr der Fall: Der Anteil der Titularnationen ist in allen postsowjetischen Ländern außer Russland gestiegen.
Dabei sollte auch berücksichtigt werden, dass die wichtigste Quelle für Daten über die nationale Zusammensetzung die Volkszählung ist. In einigen Ländern wurde eine solche jedoch zuletzt vor 20 Jahren durchgeführt. In Turkmenistan zum Beispiel wurden die Ergebnisse der Volkszählung nie offiziell bekannt gegeben. Ein wichtiges Merkmal der Erhebung ist außerdem, dass die Statistiker die Daten mit den Worten der Bürger eingeben, die selbst entscheiden, welcher Nationalität sie sich zugehörig fühlen.
In den offiziellen Statistiken sind nicht anerkannte und teilweise anerkannte Gebiete (Abchasien, Südossetien, Transnistrien, Bergkarabach, Donezk und Lugansk) nicht enthalten. Dort leben die Einwohner entweder mit lokalen Dokumenten, oder aber sie besitzen Pässe anderer Länder. Dies hat dazu geführt, dass beispielsweise in Georgien der Anteil der Osseten an der Bevölkerung im Jahr 1989 drei Prozent und im Jahr 2014 0,39 Prozent betrug. In der Republik Moldau wiederum ist die Zahl der Ukrainer (von 14 auf weniger als 7 Prozent) und Russen (von 13 auf 4 Prozent) zurückgegangen, was auch auf die De-facto-Abspaltung Transnistriens zurückzuführen ist. Vor dem Hintergrund der Äußerungen einiger Politiker über die Notwendigkeit einer Wiedervereinigung mit Rumänien in der Republik Moldau stieg die Zahl derer, die sich als ethnische Rumänen betrachten, auf 7 Prozent.
Auch in den baltischen Staaten ist die Lage unklar. In Estland und Lettland haben die lokalen Behörden nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht allen Einwohnern automatisch die Staatsbürgerschaft verliehen. Infolgedessen leben dort weiterhin einige Menschen mit russischem Pass. Nach Angaben der russischen Botschaft in Estland leben dort etwa 100.000 russische Staatsbürger. Die estnischen Behörden geben die Zahl mit 75.000 an, räumen aber ein, dass sie über keine genauen Daten verfügen. Den Angaben aus der Volkszählung zufolge bezeichnen sich insgesamt 24 Prozent der Esten und Letten als Russen.
In Russland selbst hat sich der Anteil der Russen an der Gesamtbevölkerung im Vergleich zu 1989 nicht wesentlich verändert – er sank von 81,53 auf 80,9 Prozent. Gleichzeitig ist die Zahl derjenigen, die sich als Ukrainer bezeichnen, deutlich zurückgegangen (1,4 im Vergleich zu einst 2,9 Prozent).
In der Ukraine wurde die letzte Volkszählung im Jahr 2001 durchgeführt. Damals bezeichneten sich 78 Prozent der Einwohner als Ukrainer und 17 Prozent als Russen. Es gibt jedoch keine genauen Daten darüber, wie sich die ethnische Zusammensetzung nach der Krim-Krise und der Entstehung der selbsternannten Republiken im Donbass entwickelt hat. In den letzten 20 Jahren haben die ukrainische Behörden nur eine elektronische Volkszählung auf der Grundlage von Daten der Mobilfunkbetreiber, Informationen des staatlichen Statistikdienstes und elektronischen Registern durchgeführt.
In Weißrussland ist der Anteil der Menschen, die sich als Russen bezeichnen, in 30 Jahren von 13 auf 7 Prozent gesunken. Der Anteil derjenigen, die sich als Weißrussen betrachten, stieg hingegen um 7 Prozentpunkte (auf 85 Prozent).
In Aserbaidschan lag der Anteil der Titularnation bei über 91 Prozent. Erleichtert wurde dies durch eine erhebliche Verringerung der Zahl der Russen und Armenier. In Armenien, wo Aserbaidschaner im Jahr 1989 2,5 Prozent der Bevölkerung ausmachten, gehörten sie im Jahr 2011 nicht mehr zu den fünf größten Nationalitäten.
Ein bemerkenswertes Beispiel für nationale Veränderungen in der postsowjetischen Zeit ist Kasachstan. Im Jahr 1989 betrug der Anteil der Kasachen in dieser Republik 40 Prozent, der Anteil der Russen 38 Prozent. 20 Jahre später identifizierten sich 63 Prozent der Bürger als Kasachen und 24 Prozent der Bürger als Russen. Der Grund dafür ist die Massenabwanderung von Russen in den 1990er Jahren: Im Zeitraum 1991–1997 verließen 1,2 Millionen Menschen die Republik Kasachstan.
Vor dem Hintergrund eines Rückgangs der russischen Bevölkerung, die die ehemaligen Sowjetrepubliken sowohl aus wirtschaftlichen Gründen als auch wegen der mangelnden Bereitschaft, nach den neuen lokalen Regeln zu leben, verließ, stieg der Anteil der der Titularnationen auch in Usbekistan (von 71 auf 84 Prozent), Kirgisistan (von 52 bis 74 Prozent) und Tadschikistan (von 62 bis 84 Prozent).
Am 8. Dezember 1991 unterzeichneten die Präsidenten Russlands, der Ukraine und Weißrusslands – Boris Jelzin, Leonid Krawtschuk und Stanislau Schuschkewitsch – im Nationalpark Beloweschskaja das sogenannte Belowesch-Abkommen. In dieser Vereinbarung wurde die offizielle Auflösung der Sowjetunion festgehalten, der Vertrag zur Schaffung der UdSSR von 1922 außer Kraft gesetzt und die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) gegründet. Diese Gründung wurde schließlich am 21. Dezember 1991 mit der "Erklärung von Alma-Ata" bestätigt.
Nach der Auflösung der Sowjetunion sank die Lebenserwartung in Russland zwischen 1991 und 1994 von 69 auf weniger als 64 Jahre – einige Jahre lang starben sogar mehr Menschen, als neu geboren wurden. In seiner Rede zur Lage der Nation im April 2005 bezeichnete der russische Präsident Wladimir Putin den Zerfall der Sowjetunion 1991 als die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts.
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