"Deutsche Staatsraison hat akademischer Landschaft Schaden zugefügt"
Die Herausgeberinnen des Völkerrechtsblogs Sué González Hauck und Isabel Lischewski machen auf den Verlust der Reputation der deutschen Rechtswissenschaften im Ausland aufmerksam. Dafür verantwortlich machen sie zunehmende Repressionen, die in der deutschen "Staatsräson" wurzeln.
"Wir sind uns des Schadens bewusst geworden, den die Durchsetzung der deutschen Staatsraison durch Politiker und die Einhaltung dieser Staatsraison durch Wissenschaftler dem Ruf und der Qualität der deutschen akademischen Landschaft zugefügt haben", schreiben die Autorinnen.
Der Blog sieht sich durch die einseitige Positionierung Deutschlands im Nahost-Konflikt einem Boykott durch ausländische Wissenschaftler ausgesetzt.
Dies sei zum einen der Boykott-Kampagne Strike Germany geschuldet. Zum anderen sei dafür die offene Repression gegenüber renommierten Wissenschaftlern verantwortlich. Als Beispiele werden die Philosophin Nancy Fraser, der Anthropologe Ghassan Hage und der Rektor der Universität Glasgow, Ghassan Abu-Sittah, genannt. Fraser und Hage wurde die wissenschaftliche Zusammenarbeit wegen ihrer israelkritischen Haltung aufgekündigt. Die Universität zu Köln hat die Gastdozentur Frasers kurzfristig abgesagt. Fraser hatte einen offenen Brief "Philosophy for Palestine" unterzeichnet. Hage wurde eine Schmähschrift in der Welt zur Stolperfalle. Das Blatt bezichtigte den Anthropologen, der vor allem zu Rassismus forscht, er würde zu Hass gegen Israel aufstacheln. Das Max-Planck-Institut beendete daraufhin die Zusammenarbeit.
"Was für mich eine faire, intellektuelle Kritik Israels ist, ist für sie Antisemitismus nach deutschem Recht", kommentierte Hage den Schritt.
Gegen den Rektor der Universität Glasgow, Ghassan Abu-Sittah, wurde ein Einreiseverbot in den Schengen-Raum verhängt. Grund: Abu-Sittah wollte am Palästina-Kongress in Berlin teilnehmen. Auch seine Meinung zum Nahost-Konflikt weicht von der aus Berlin vorgegebenen Linie ab.
Die Autorinnen des Beitrags sorgen sich um den sich immer weiter verengenden Diskussionsraum in Deutschland. Deutschland sei dringend auf Impulse von außen angewiesen.
Die Entwicklung "ist für uns zutiefst besorgniserregend und sollte alle in Deutschland arbeitenden Menschen beunruhigen, insbesondere weil die deutsche Debatte dringend Perspektiven von außerhalb dessen benötigt, was hierzulande immer noch ganz unironisch als 'herrschende Meinung' bezeichnet wird."
Diese dringend notwendige Perspektive von außen wird jedoch durch Zensur und Repression verhindert. Die Autorinnen rufen zu akademischem Mut und Einheit auf, um die Entwicklung umzukehren. Ob das gelingen kann, ist jedoch angesichts des in Deutschland herrschenden gesellschaftlichen Klimas mehr als fraglich.
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