Südkorea: Opposition droht Interimspräsidenten mit Amtsenthebung
Die politische Krise in Südkorea spitzt sich weiter zu. Die wichtigste oppositionelle Partei Südkoreas, die Demokratische Partei, welche das Parlament (Nationalversammlung) kontrolliert, plant, nun auch ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Premierminister und Interimspräsidenten Han Deok-su zu initiieren. Han hat das Amt des amtierenden Präsidenten nach der Amtsenthebung von Yoon am 14. Dezember übernommen.
Am Dienstag hat das Ministerkabinett während einer Kabinettssitzung unter Leitung des amtierenden Präsidenten Han Deok-su darauf verzichtet, zwei Gesetzentwürfe für Sonderermittlungen gegen den Ex-Präsidenten Yoon Suk-yeol und die ehemalige First Lady Kim Keon-hee zu prüfen. Das Kabinett erfüllte damit nicht die Forderung der Oppositionspartei, diese Prüfung noch am selben Tag vorzunehmen, teilt die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap mit.
Die Gesetzentwürfe sehen Ermittlungen im Hinblick auf die Verhängung des Kriegsrechts durch Yoon und Korruptionsvorwürfe gegen Kim vor. Die Nationalversammlung hat die Entwürfe zweier Sondergesetze vorzeitig verabschiedet. Han musste sie bis zum 1. Januar unterzeichnen oder eine erneute Prüfung durch das Parlament beantragen.
"Ich glaube, wir müssen damit beginnen, dass die Regierungs- und die Oppositionsparteien über einen Kompromiss debattieren und verhandeln, damit die Mehrheit der Bevölkerung versteht, dass die Ermittlungen und Ernennungen der Sonderberater ohne die geringste Voreingenommenheit im Einklang mit der Verfassung und den Gesetzen durchgeführt wurden", sagte Han während der Sitzung am Dienstag.
Die Demokratische Partei forderte Han jedoch am Dienstag auf, die Gesetze zu verkünden, und drohte, ihn "zur Verantwortung zu ziehen", falls er diese Forderung nicht erfüllen werde. Die Partei kündigte an, sie werde einen Amtsenthebungsantrag gegen Han einreichen. Ein Parteisprecher teilte Reportern mit, dass der Antrag am Donnerstag im Plenum des Parlaments eingebracht werden soll.
Die von der Opposition kontrollierte Nationalversammlung hat diese Gesetzentwürfe verabschiedet, aber Han kann sie auf Eis legen oder sein Veto einlegen, so wie es Yoon noch vor der Verhängung des Kriegsrechts getan hat, schreibt die Nachrichtenagentur Bloomberg.
Als amtierender Präsident ist Han Deok-su für die Ernennung von Richtern des Verfassungsgerichts zuständig. Das Verfassungsgericht muss innerhalb von sechs Monaten für oder gegen das Amtsenthebungsverfahren von Yoon stimmen. Dafür sind die Stimmen von sechs der neun Richter erforderlich. Derzeit fehlen dem Richtergremium drei Richter.
In der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember hatte Präsident Yoon Suk-yeol überraschend das Kriegsrecht verhängt, das allerdings nur sechs Stunden andauerte. Kurz nach Yoons Erklärung hatten die Abgeordneten, darunter auch einige Mitglieder von Yoons Partei, die Sicherheitsabsperrung um das Parlament durchbrochen und den Präsidenten aufgefordert, das Kriegsrecht wieder aufzuheben. Am Montag hat das Verfassungsgericht mit der Prüfung des Amtsenthebungsverfahrens von Yoon begonnen.
Das Ziel des Amtsenthebungsverfahrens gegen Han ist es, die regierende Konservative Partei unter Druck zu setzen. Die Opposition wetteifert mit der Regierungspartei, um Präsident Yoon seines Amtes zu entheben und vorgezogene Präsidentschaftswahlen zu erzwingen, an denen Lee Jae-myung, der Vorsitzende der Demokratischen Partei, teilnehmen kann. Die Oppositionspartei steht unter Zeitdruck, weil Lee sein Recht zu kandidieren verlieren könnte, wenn in den kommenden Monaten ein Urteil über die Korruptionsvorwürfe gefällt wird, schreibt Bloomberg. Außerdem könnte es für die Demokratische Partei schwieriger sein, große Unterstützung für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Han zu gewinnen, als gegen Yoon.
Han sagte, er habe zuvor versucht, Yoons Ausrufung des Kriegsrechts zu verhindern, und entschuldigte sich dafür, dass ihm dies nicht gelungen sei. Kweon Seong-dong, Fraktionsvorsitzender der regierenden Partei, sagte, die Opposition dränge auf ein Amtsenthebungsverfahren gegen Han und setze ihn unter Druck, um eine vorgezogene Präsidentschaftswahl zu erzwingen.
Das Berufungsgericht prüft Lees Verurteilung vom November wegen falscher Angaben während seiner Präsidentschaftskampagne im Jahr 2021. Das Gericht wird voraussichtlich im Februar über seine Berufung entscheiden. Sollte das Urteil Bestand haben, dürfte Lee zehn Jahre lang nicht mehr für das Amt kandidieren.
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