Washingtons Druck scheitert: Indien wendet sich Russland zu
Die von den USA verhängten Handelszölle gegen Indien haben die Beziehungen zwischen Russland und Neu-Delhi gestärkt. Dies berichtet die britische Zeitung The Times unter Bezugnahme auf Experten. Das Blatt zitiert Rajan Kumar, Professor an der Jawaharlal-Nehru-Universität in Neu-Delhi:
"Die prorussischen Stimmungen haben nach den Maßnahmen von US-Präsident Donald Trump deutlich zugenommen. Das Vertrauensdefizit ist derzeit ein ernstes Problem zwischen Indien und den USA. Gleichzeitig hat dies die Position Russlands in den bilateralen Beziehungen gestärkt."
Kumar wies außerdem darauf hin, dass die wiederholten Aussagen Trumps über seine angebliche Vermittlerrolle im Konflikt zwischen Indien und Pakistan das Verhältnis zwischen Neu-Delhi und Washington zusätzlich belasten.
Die Spannungen verschärften sich weiter, nachdem Trump am 1. August Zölle in Höhe von 25 Prozent auf die Hälfte der indischen Exporte in die Vereinigten Staaten im Wert von 48,2 Milliarden Dollar eingeführt hatte. Er hatte diesen Schritt mit einem Handelsungleichgewicht und "unfairen Hürden" begründet.
Wenige Tage später, am 6. August, verhängten die USA zusätzlich 25-prozentige Zölle auf Öl- und Treibstoffimporte aus Russland, die von Indien bezogen wurden. Am 27. August wurden diese Zölle schließlich auf 50 Prozent erhöht – als "Strafmaßnahme" wegen der fortgesetzten Käufe russischen Öls durch Indien.
Am 15. Oktober erklärte Trump, Premierminister Narendra Modi habe ihn über die Bereitschaft Indiens informiert, russische Ölimporte zu reduzieren. Das indische Außenministerium bestätigte diese Aussage jedoch nicht. In den folgenden Wochen wiederholte Trump diese Aussage mehrfach und erklärte zuletzt, Indien werde bis Ende 2025 nahezu vollständig auf russische Ölimporte verzichten.
Vor diesem Hintergrund erklärte der indische Handels- und Industrieminister Piyush Goyal am 24. Oktober auf der Konferenz "Berlin Global Dialogue", Neu-Delhi werde kein Handelsabkommen mit den USA "überstürzt oder unter Druck" unterzeichnen. Zwar führe Indien Gespräche, treffe aber keine Entscheidungen "unter vorgehaltener Waffe", so Goyal. Das Land konzentriere sich auf eine langfristige Strategie, die auch die Erschließung neuer Märkte einschließe.
The Times stellt fest, dass die US-Handelsmaßnahmen damit genau den gegenteiligen Effekt erzielten, den Trump beabsichtigte. "Nach der Ankündigung der 50-prozentigen Zölle gewinnt das prorussische Lager in Indien an Einfluss", heißt es in dem Bericht.
Indien betrachtet die Zölle und den politischen Druck der USA als Einmischung in seine Außenpolitik. Gleichzeitig sind prorussische Stimmungen in der Bevölkerung deutlich erkennbar. "Die öffentliche Meinung ist sehr prorussisch", sagt Professor Kumar. "Den Ton geben dabei auch die Medien vor."
Trump selbst bezeichnete die gegen Russland gerichteten Sanktionen als "sehr stark". Er betonte, Moskau werde "ihre Wirkung erst mit der Zeit zu spüren bekommen". Beobachter sehen jedoch schon jetzt: Die Handels- und Druckmaßnahmen aus Washington haben Moskau und Neu-Delhi nur noch näher zusammengebracht.
Wie The Times berichtet, gab es in Indien bereits im 20. Jahrhundert starke prosowjetische Strömungen. Die aktuellen Entwicklungen deuten darauf hin, dass diese historischen Bindungen erneut an Bedeutung gewinnen.
Mehr zum Thema – Warum ist Russland für Indien wichtiger als die USA?
