Georgien suspendiert Beitrittsgespräche zur EU
Georgien hat entschieden, die Beitrittsgespräche mit der EU bis 2028 einzufrieren, wenn es glaubt, für weitere Schritte bereit zu sein. Dies erklärte Premierminister Irakli Kobachidse auf einer Pressekonferenz am Donnerstag.
Tiflis wird weiter seine bestehenden Verpflichtungen aus dem Assoziationsabkommen mit der EU erfüllen, aber wird das nur deshalb tun, weil es in den Beziehungen zu Brüssel als gleicher Partner behandelt werden will, sagte der Regierungschef.
Die Entscheidung wurde nach einem Treffen der Regierung mit der Partei "Georgischer Traum" bekanntgegeben, die in den Wahlen im Oktober ihre Mehrheit im Parlament verteidigen konnte.
"Wir sind eine Nation mit Selbstachtung und einer großen Geschichte [...] Es ist absolut unannehmbar für uns, die Integration in die Europäische Union als einen Gefallen zu betrachten, den uns die Europäische Union erweisen sollte", sagte Kobachidse.
Georgien werde es anstreben, der EU 2030 beizutreten, sagte der Premierminister. Tiflis erwartet, "wirtschaftlich vorbereitet" zu sein, um 2028 mit Brüssel in Verhandlungen zu treten.
Das Land werde sich weiter an sein Freihandelsabkommen mit der EU halten und erwarte, bis 2028 mehr als 90 Prozent seiner Verpflichtungen aus dem Assoziationsabkommen erfüllt zu haben, fügte Kobachidse hinzu.
Georgien wolle sich auf seine eigenen Mittel verlassen, während es seinen Weg in die EU weiter beschreitet, und werde bis 2028 keine Finanzhilfen der EU annehmen, stellte der Premierminister fest.
"Wir werden unseren Weg in die Europäische Union fortsetzen, aber wir werden es niemandem erlauben, uns in einem Zustand ständiger Erpressung und Manipulation zu halten, der [...] beleidigend für unser Land und unsere Gesellschaft ist", sagte er.
Das Land im Südkaukasus hat seit Jahren danach gestrebt, der Europäischen Union beizutreten. Die Beziehungen zwischen Tiflis und Brüssel bleiben dennoch angespannt, wegen mehrerer Gesetze, die jüngst von Georgien eingeführt wurden. Eines davon ist das Gesetz über "ausländische Agenten", das im Mai verabschiedet wurde und das von Institutionen und Individuen, die mehr als 20 Prozent ihrer Finanzierung aus dem Ausland erhalten, verlangt, eintragen zu lassen, dass sie "die Interessen einer fremden Macht" vertreten.
Ein weiteres ist das Verbot von LGBTQ-Propaganda. Brüssel hatte zuvor wiederholt gewarnt, dieses Gesetz könne die Integration des Landes in die EU behindern. Anfang des Monats hatte der Generalsekretär der Partei "Georgischer Traum", Mamuka Mdinaradse, erklärt, die Nation werde "das Gesetz nie zurücknehmen", selbst wenn das den EU-Beitritt um "zwei oder drei Jahre" verzögern werde.
Die Beziehungen zwischen Georgien und der EU haben sich nach den Wahlen im Oktober weiter verschlechtert. Die Partei "Georgischer Traum", die pragmatische Beziehungen mit allen Nachbarländern erreichen will ‒ auch mit Russland ‒, ging mit beinahe 54 Prozent als Sieger hervor. Die prowestlichen Oppositionsparteien und die in Frankreich geborene Präsidentin Salome Surabischwili weigerten sich, das Ergebnis anzuerkennen.
Die USA und die EU haben ebenfalls sogleich ihre Bedenken wegen einiger vermeintlicher Unregelmäßigkeiten, die bei der Wahl beobachtet worden seien, ausgedrückt. Der Präsident des Europarates, Charles Michel, rief die georgische Führung auf, "ihre feste Entschlossenheit für den Pfad des Landes zur EU zu zeigen", als er damals das Thema kommentierte. Die Beobachter der OSZE haben dennoch "die Wahlen positiv bewertet" und fanden keine systemischen Wahlprobleme.
Am Donnerstag erklärte Kobachidse, Georgien bleibe "traditionellen europäischen Werten" verpflichtet, aber wolle, dass seine Beziehungen zur EU die zwischen Gleichen seien.
"Wir müssen den wichtigen europäischen Politikern und Bürokraten, denen europäische Werte völlig abgehen, deutlich zeigen, dass sie mit Georgien nicht mit Erpressungen und Beleidigungen reden sollten, sondern mit Würde", hieß es in einer Erklärung des Premierministers, und weiter, dass die Entscheidung seitens Tiflis Brüssel dabei helfen werde, eine "Rufschädigung" in Georgien zu vermeiden, und dazu beitrüge, die Beziehungen zwischen dem südkaukasischen Land und der EU "zu heilen".
"Georgien wird nur mit Frieden, Würde und Wohlstand ein Mitgliedsland der Europäischen Union werden", hieß es in der Erklärung. Die Nation habe nicht die Absicht, dem Staatenbund "bettelnd und auf einem Fuß stehend" beizutreten.
Mehr zum Thema ‒ Unterwegs in Sachen Regime Change: Greta Thunberg schließt sich Protesten in Tiflis an