Taxifahrer erschossen, 15-Jähriger lebendig verbrannt – Marseille versinkt in Drogengewalt
Neue Fälle von Drogengewalt erschüttern die südfranzösische Metropole Marseille. Wie die Staatsanwaltschaft der Hafenstadt am Sonntag mitteilte, steht ein 14-Jähriger unter Verdacht, am Freitag einen Taxifahrer erschossen zu haben. Die Tat steht im Zusammenhang mit der grausamen Ermordung eines 15-Jährigen.
Der 15-Jährige war am Mittwoch mit 50 Stichen verletzt und anschließend bei lebendigem Leib verbrannt worden. Staatsanwalt Nicolas Bessone sprach von "beispielloser Grausamkeit". Die Tat gehe laut Bessone aus der Bandenkriminalität in der ärmsten Stadt Frankreichs hervor. Bei Auseinandersetzungen rivalisierender Gangs sind in diesem Jahr in Marseille bereits 17 Menschen getötet worden. Im Vorjahr waren es insgesamt 49 Menschen – ein neuer Höchstwert.
In dem nun untersuchten Fall war das 15-jährige Opfer der Staatsanwaltschaft zufolge in einem Onlinenetzwerk von einem 23-jährigen Gefängnisinsassen angeheuert worden. Der Häftling, der sich selbst als Mitglied einer als DZ Mafia bekannten Bande bezeichnet, hatte den 15-Jährigen beauftragt, einen Rivalen einzuschüchtern, indem er dessen Wohnungstür in Brand steckt.
50.000 Euro für Auftragsmord
Dafür wurden dem Jugendlichen 2.000 Euro versprochen. Laut Staatsanwaltschaft wurde der 15-Jährige aber von Mitgliedern einer rivalisierenden Bande entdeckt. Die Bandenmitglieder hätten immer wieder auf den Jugendlichen eingestochen, bevor sie ihn anzündeten. Einem ebenfalls 15 Jahre alten Freund des Getöteten sei die Flucht gelungen.
Die Gewalttat hatte laut Staatsanwaltschaft einen weiteren gewaltsamen Todesfall zur Folge. Derselbe Häftling wie bei dem ersten kriminellen Auftrag habe nach dem Tod des 15-Jährigen einen 14-jährigen Jugendlichen rekrutiert, um an einem Mitglied der gegnerischen Bande, die sich Blacks nennt, Rache zu nehmen und es zu töten. Der Häftling versprach dafür 50.000 Euro.
Der 14-Jährige habe daraufhin einen 36-jährigen Familienvater, der nichts mit Drogenkriminalität zu tun gehabt habe, über einen Fahrdienstleister angeheuert. Als der Jugendliche das Mitglied der rivalisierenden Bande auf der Straße erblickt habe, habe er den Fahrer gebeten, stehen zu bleiben. Dieser weigerte sich jedoch, worauf er ihn mit einem Schuss in den Hinterkopf getötet habe.
Das Opfer war in Marseille als Amateurfußballer bekannt. Laut Staatsanwaltschaft gestand der 14-Jährige, geschossen zu haben, behauptete aber, der Schuss sei unbeabsichtigt gefallen. Der Getötete habe "weder direkt noch indirekt" mit dem Drogenhandel zu tun gehabt, betonte Staatsanwalt Bessone.
Korruption bei der Drogenfahndung
Marseille ist die zweitgrößte und zugleich eine der ärmsten Städte Frankreichs. Mit Drogenhandel im Zusammenhang stehende Gewalt steht an der Tagesordnung, seit ein paar Jahren kämpfen mehrere Banden um die Kontrolle über den lukrativen Drogenhandel. Staatsanwalt Bessone sagte, die Täter und Opfer dieser Gewalt würden immer jünger.
Von der Drogengewalt betroffen ist besonders der Norden der Stadt mit ihren insgesamt 870.000 Einwohnern. Im wirtschaftlich schwächsten Arrondissement lebt jeder Zweite unter der Armutsgrenze. Die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Raubüberfalls zu werden, ist laut dem Nachrichtenmagazin Spiegel doppelt so hoch wie im französischen Durchschnitt. Die Eltern des unter Mordverdacht stehenden 14-Jährigen sitzen laut französischen Medienberichten wegen Drogendelikten in Haft.
Die französischen Behörden versuchen der grassierenden Drogengewalt mit Härte zu begegnen. Im Frühjahr wurden bei landesweiten Razzien über 1.350 Personen festgenommen. Ein Schwerpunkt war hierbei Marseille. Die örtlichen Behörden sprachen von einer "XXL-Razzia" mit über 900 eingesetzten Mitgliedern von Polizei und Zoll.
Im April wurde bekannt, dass auch die Drogenfahndung der Hafenstadt ins Visier der Ermittlerinnen und Ermittler geriet. Wie die Zeitung Le Parisien berichtete, durchsuchte die Generalinspektion der Nationalpolizei (IGPN) die führende Abteilung der Kriminalpolizei von Marseille, die für die Aufdeckung der größten Drogengeschäfte zuständig ist. Neben zahlreichen mutmaßlichen Verstößen gehe es um Korruptionsverdacht bei einer angesehenen Abteilung der Polizei.
Als politische Maßnahme gegen die Drogenkriminalität will die französische Regierung große Summen in die Metropole investieren. Staatspräsident Emmanuel Macron zufolge werden insgesamt fünf Milliarden Euro dafür lockergemacht. Sie sollen unter anderem in Schulen, den öffentlichen Nahverkehr, Wohnbauprojekte und Sicherheit fließen.
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